Prisma

Nebel sah ich, Nebel und noch mehr Nebel.
Ließ meine Augen durch die grauweißen Wände gleiten, aus denen sich schließlich Umrisse lösten.
Manche klar, manche kaum sichtbar.
"Nicht nur ein Träumer, auch ein Wächter", erzählte ich tranceartig.
"Perlen ... ?
Du wirst der Wahrheit folgen, sie begleiten ..."
Die Sicht verschwand, ich ließ meinen Arm sinken, wurde nur noch von dem Träumer gehalten.
Ich war müde, so müde.
Schließlich fielen meine Augen zu.

Prisma

Träume waren erschreckende Orte.
Sie waren so verworren, so unklar, so voller Lügen.
Träume bereiteten mir Angst, sie schickten mich auf unbekannte, unsichere Pfade.
Falsche Pfade.
Sie ließen mich schreien, seufzen, weinen, lachen.
Sogar hassen ließen sie mich.
Ja, ich hasste Träume, jene Pfade, wo weder meine Rune, noch die Wahrheit, noch die Götter bei mir waren und mich schützten.
Doch auch Träume vergingen.
Langsam schlug ich die Augen auf.

Prisma

Langsam regte ich mich in den Armen des Träumers.
So nahe waren wir beieinander, dass ich ohne Mühe so vieles in ihm sehen konnte.
All die Wahrheiten, was in ihm wohnte und vieles, das noch kommen würde.
"Die Sonne ist nicht dein Freund", sagte ich leise, machte keine Anstalten, mich von ihm zu lösen.
"Die Sonne kann enthüllen, aber auch blenden.
Die Nacht kann schützen, aber auch verbergen.
Doch was weder Nacht noch Tag enthüllen können ist die Wahrheit."

Prisma

"Dem ist wohl so Träumer", antwortete ich leise. "Doch manches Mal bleibt mir die Maske verborgen.
Und auch meine eigenen Wahrheiten werden mir nicht enthüllt."

Prisma

Ich nickte.
Nicht jeder wollte seine Wahrheit kennen.
Manch einer verleugnete jede Wahheit.
"Jeder erfährt die Wahrheit, welche für ihn bestimmt ist", sagte ich mit ruhiger Stimme. "Und die Wahrheit mancher liegt darin, sie zu missachten."

Prisma

Darauf wusste ich keine Antwort.
Die Wahrheit war nicht wandelbar, das Schicksal ließ sich nicht in seinem Lauf ändern.
Konnte die Wahrheit jemanden verändern?
Oder war es nur Verborgenes, welches von ihr freigesetzt wurde?
"Die Wahrheit selbst enthüllt den Pfad, welcher gegangen wird", sagte ich schließlich langsam.

Prisma

Eben noch war mein Kopf leer gewesen, frei von Wahrheit, frei von Wissen.
Doch jetzt kam es über mich.
Die Rune der Verita erstrahlte in gleißend rotem Licht, ließ mich sehen, ließ mich fühlen.
Tranceartig erhob ich mich, wandte meinen Kopf in die mir gewiesene Richtung, die Augen leer, trüb, und doch sehend.
Ich fühlte, wie sie in mir aufstieg, die Schwere in meinem Hals.
Wie sie mich schüttelte, gleich einer Feder im Wind.
Ich sah Elend, sah Leid, sah Tod.
Und dann war es vorrüber, das Licht der Rune verglomm und ich brach auf dem harten Boden zusammen.

Prisma

Meine Augen wurden wieder klar und richteten sich nun auf den Träumer und Wächter.
Ich spürte, wie eine schmale Spur warmen Blutes mein Bein herabfloss.
Der Sturz hatte meine Haut aufgerissen.
"Der Tod wird kommen, Träumer", antwortete ich ruhig. "In diesem Augenblick schon zieht er umher, mancher wird ihm ins Auge blicken, mancher wird ihm entgehen, doch sehen werden ihn viele Augen."