Flammenseele

Zielstrebig lief ich auf den Bachs zu, der den Wald mit seinem stetigen Strom durchteilte.
Nahe des Ufers ließ ich mich auf meinen Hinterläufen nieder und nickte zu Boden.
"Sieh her."
Unter dem rotgoldenen Laub stachen sie klar und deutlich hervor:
Tiefblau und in voller Blüte stehend ragten Blumen aus dem Boden hervor.
Zart trat ihr Duft in meine Nase, brachte mich für einen Augenblick zurück an den Tag, als ich sie das erste Mal erblickt hatte.
Und natürlich trat damit auch die freudige Erwartung, welche am Ende zerschmettert worden war, zurück in meinen Kopf.

Flammenseele

Wehmut breitete sich in mir aus.
"Das sind sie ..."

Die zarte, weiche Stimme einer Frau.
"Sie sind wunderschön ..."
Das aufgeregte Lachen eines Kindes.
"Nicht wahr?
Nicht wahr?
Gefallen sie dir?"
Auch die Frau lacht.
"Natürlich gefallen sie mir, Flämmchen.
Danke, dass du sie mir gezeigt hast."
Ein nachdenkliches Umschauen.
Ein kurz aufblitzender Zweifel, leichte Unruhe, kleine Unsicherheit, gefolgt von einem abwinkenden Lächeln.
"Aber jetzt sollten wir zurückgehen."
Schritte durch das gefallene Laub.
Wind von Vorne verbirgt, was im Rücken lauert.

Ohne das Lächeln abzukegen fuhr ich fort:
"Ja, ich habe niemals eine schönere Art gesehen.
Aber ich bezweifle, dass sie Glücksbringer sind."
Ich atmete lautlos ein, dann blickte ich Fangzahn an und fügte, ohne eine Miene zu verziehen, hinzu:
"Jedenfalls war die letzte Frau, der ich sie gezeigt habe, kurz danach tot."

Flammenseele

Meine Lippen lächelten weiter, doch meine Augen ruhten prüfend auf Fangzahns Gesicht.
Ich war mir sicher, dass sie es wissen wollte.
"Nun, immerhin sind sie nicht giftig", bemerkte ich schmunzelnd.

Flammenseele

"Zugegebenermaßen interessiert mich das nicht wirklich", antwortete ich und zuckte mit den Schultern.
"Sie sind hübsch und Blumen sollten hübsch sein, nicht wahr?"
Lächelnd ruhten meine Augen erst auf den blauen Blüten und folgten dann dem fließenden Wasser.

"Zumindest dachte ich das immer."
Mein Blick trat wieder in die Ferne, als ich mir das Geschehen zurück ins Gedächtnis rief.
"Als ich diese Blumen zum ersten Mal sah, war Herbst.
Ein schöner, sonniger Herbsttag, genau wie heute.
Ich war neun Winter alt und hatte mich beim Spielen etwas weiter vom Lager entfernt, als ich es hätte tun sollen.
Und dann fand ich am See diese blauen Blüten."

Ich schwieg einen Moment lang.
"Ich wollte sie der Anführerin zeigen, weil sie zu der Zeit oft besorgt und traurig gewirkt hat.
Also wollte ich ihr ein Geschenk machen, indem ich ihr - und nur ihr - alleine diese Blumen zeigte.
Damit es ihr wieder besser ging.
Wir machten zu zweit einen Spaziergang und sie hat sich wirklich sehr darüber gefreut, die Blumen zu sehen."
Ich holte tief Luft, ohne auch nur eine Sekunde lang meine Miene zu verändern.
Wie eingemeißelt war das Lächeln auf meine Lippen.

"Auf dem Rückweg", fuhr ich schließlich fort und atmete langsam aus, "wurden wir von fremden Drachen überfallen.
Sie töteten die Anführerin und ließen mich lebendig zurück, als Mahnung an den Clan.
Danach nannte man mich nicht mehr Erwählter der Flammen."

Flammenseele

Je länger das Schweigen andauerte, desto unruhiger wurde ich innerlich.
Ich hätte es besser wissen müssen.
Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und drehte mich wider zu Fangzahn um.
"Du bist ja auf einmal so still", bemerkte ich lächelnd.
"Was ist, habe ich dir die Freude an Blumen verdorben?"

Flammenseele

Ich schmunzelte leicht.
"Hm, ich habe mir seit langem keine Gedanken mehr darüber gemacht, wer Schuld war", meinte ich.
"Es ist letztendlich auch egal, denn vermutlich hätten weder sie noch ich anders handeln können.
Es ist nur etwas ironisch, dass man fünfundert Jahre auf einen Helden wartet, nur um ihn so schnell wieder abzusetzen.
Talent, Äußeres und Weissagungen helfen wohl nichts, wenn man die Erwartungen einmal enttäuscht."
Obwohl es lange gedauert hatte, bis ich schlussendlich zu dieser Erkenntnis gelangt war.
Und zu der Entscheidung, sie willentlich nicht zu erfüllen.
"Aber selbst wenn du könntest", fuhr ich schließlich fort, "müsstest du mir dabei nicht helfen.
Es war alles nicht so schlimm, wie es sich vielleicht angehört hat.
Mir war einfach danach, es dir zu erzählen."
Lächelnd trat ich einen Schritt näher auf Fangzahn zu und leckte sacht über ihren Hals.
"Keine tolle Idee.
Es gibt Angenehmeres, das man gemeinsam tun kann, nicht wahr?"

Flammenseele

Ich ließ von ihr ab und schaute sie nachdenklich an.
Dann zuckte ich unbeschwert mit den Schultern und sagte lächelnd:
"Manchmal bist du seltsam."
Einen Moment lang schwieg ich, dann fügte ich etwas sanfter hinzu:
"Aaaaaber, ich werde mich nicht darüber beschweren, dass jemand mir freiwillig zuhört."

Flammenseele

Leise lachte ich.
"Ja, und genau das ist seltsam."
Geschmeidig erhob ich mich und trat ein paar Schritte ins Wasser.
Hier war es so flach, dass man problemlos darin liegen konnte.
Nicht einmal meine Füße überspülte es.
"Die meisten wären von solchen Geschichten eher genervt."